Prekäre Beschäftigung: Bewältigung und Gegenstrategien
Ein Vortrag von Prof. Dr. Bosch (Universität Duisburg-Essen), organisiert von der KAP und der CSC (Eupen, den 17.01.2019). Für Interessierte hier ein Link zur PowerPoint-Präsentation.
- Was ist prekäre Beschäftigung? (Definition nach Dörre (2005))
Prekär ist ein Arbeitsverhältnis, wenn der Beschäftigte mit seinem Einkommen unter dem Minimum und mit seinem Statut nicht ausreichend sozial abgesichert ist. Als Vergleich gilt das, was als Standard anerkannt wird. Dazu gehören das Lohnniveau und die beruflichen Perspektiven, die sich mittel- und langfristig aus dem Arbeitsvertrag ergeben. Zu geringer Lohn und ständige Angst, den Job zu verlieren, sind Elemente von prekärer Beschäftigung.
- Was sind die Ursachen von prekärer Beschäftigung?
Dazu können vier Themenkomplexe gezählt werden:
- Geringe Arbeitsstandards (geringer Kündigungsschutz, keine Tarifbindung, weniger Lohn für gleiche Arbeit, geringe Chancen auf Weiterbildung und Aufstieg…)
- Geringer sozialer Schutz (schlechter Zugang zur Arbeitslosenversicherung, unzureichende Anrechnung der Arbeitszeiten auf Rentenansprüche…)
- Unzureichende Vertretung von Arbeitnehmerinteressen (keine oder zu geringe gewerkschaftliche Vertretung, kein Betriebsrat …)
- Compliancelücken ((kaum Kontrollen durch die Arbeitsinspektion, Unkenntnis der Rechte …)
Prekäre Beschäftigung ist nicht zu verwechseln mit Armut: wenn z.B. der Ehepartner über ein gutes Einkommen verfügt, kann die Beschäftigungslage prekär sein, der Haushalt jedoch nicht arm. Jedoch, die Zunahme von (oft unfreiwillig) befristeten Arbeitsverträgen, on Arbeitsverträgen mit zu geringer Arbeitsdauer pro Woche (Mini-Jobs), von Leiharbeit (Interims-Arbeitsplätze), von Scheinselbständigkeit sind Risikofaktoren, da aus ihnen oft genug prekäre Beschäftigung hervor geht.
- Was schützt gegen prekäre Beschäftigung?
Erstens, die Tarifbindung für ein Maximum an Arbeitsplätzen querbeet durch alle Sektoren. Da wo die Taftbindung untergraben wird, breiten sich Mindestlöhne (und oft genug noch nicht mal die) aus und es nehmen Arbeitsverträge zu, die zu viele Risiken beinhalten (siehe unter Punkt 2). Damit die Tarifbindung ihren Schutz entfalten kann, ist ein hoher gewerkschaftlicher Organisationsgrad der Belegschaften hilfreich. In der Tat, wo die Arbeitnehmervertreter die Belegschaften nicht mehr ausreichend vertreten werden, weil die Mitgliederzahl sinkt, ist es ihnen schwerer, mit der Arbeitgeberseite auf Augenhöhe Tarifvereinbarungen (Lohnniveau, automatische Indexbindung der Löhne, Arbeitsbedingungen…) verhandeln zu können.
Im Klartext: es ist nicht vorrangig der Mindestlohn, der gegen prekäre Beschäftigung schützt. Oft genug wird er unterlaufen. Er kann bestenfalls als Schutz vor extremer Armut verstanden werden. Wichtiger ist die Frage, ob und inwieweit es den Sozialpartnern gelingt, sich auf verbindliche Vereinbarungen zu verständigen. Störend wirkt dabei, wenn die Regierungen sich mit einseitigen Vorstellungen über Beschäftigungspolitik einmischen und das Gleichgewicht der Kräfte am Verhandlungstisch unterlaufen.
Wichtig ist dabei, dass die Tarifbindung für alle gilt. Dort, wo sich einzelne Sektoren ausklinken oder Betriebe unterhalb einer bestimmten Betriebsgröße meinen, die Arbeitnehmerinteressen mangels Arbeitnehmervertretung lediglich als Variable für Kostenminderung zu betrachten, verliert die Tarifbindung an Kraft und prekäre Beschäftigungsverhältnisse nehmen zu (z.B. indem einzelne Tätigkeiten ausgelagert werden, indem überproportional Leiharbeiter beschäftigt werden, indem Teilzeitverträge Überhand nehmen bis hin zu Arbeitsverträgen mit zu wenig vertraglichen Arbeitsstunden aber einer permanenten Rufbereitschaft, usw.)
- Was tun ?
- Dafür sorgen, dass das Lohnsystem für alle gilt und dass nicht eine Reihe von Berufen oder Tätigkeiten aus den Tarifvereinbarungen ausgenommen werden. Das betrifft sowohl die Festlegung einer Untergrenze (Mindestlohn) als auch die Verbindlichkeit von Tarifvereinbarungen (z.B. Lohntabellen).
- Das Arbeitsverhältnis den neuen gesellschaftlichen Gegebenheiten anpassen, indem Elternzeit, Kinderbetreuung, Pflegezeiten… für Männer und Frauen besser in den Erwerbsverlauf eines Arbeitnehmers einbezogen werden.
- Die Mindestarbeitszeit auf 20 Stunden pro Woche festlegen, um das Heraufziehen von unzumutbaren Mini-Jobs zu regulieren/unterbinden. Bei zeitweiligen Reduzierungen von Arbeitszeit (aus Gründen der Auftragslage) im Folgejahr mehr Arbeitszeit pro Woche genehmigen.
- Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Und die Überwachung, dass dieses Prinzip auch tatsächlich eingehalten wird.
- Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb stärken, weil dies garantiert, dass die Vereinbarungen und Gesetze auch effektiver eingehalten werden.
- Mehr Zeit einräumen für eine gründliche Berufsausbildung und für Weiterbildung der Mitarbeiter, damit diese sich verändernden Herausforderungen stellen können. Darüber wachen, dass Qualifikationsprofile veraltern angesichts des schnellen Tempos des technologischen und sozialen Wandels.