Fachkräftemangel

Fachkräftemangel

Die meisten Arbeitsmarktanalysen zeigen, dass weitere wirtschaftliche Fortschritte kaum oder nicht mehr mit den vorhandenen Humanressourcen möglich sein werden. Der Fachkräftemangel begrenzt die Möglichkeiten des wirtschaftlichen Fortschritts. Das bleibt langfristig nicht ohne folgen auf den Wohlstand und die Verteilung des Wohlstands.  Welche sind die Trends, die den Fachkräftemangel noch verstärken? Darunter zählen wir laut Prof. Dr. Achtenhagen (Uni Göttingen):

  • Demographische Veränderungen (geringere Geburtenrate, weniger arbeitsmarktrelevante Berufsabschlüsse…) führen zu einem Rückgang der Fachkräfte, trotz hoher Arbeitslosenzahlen.
  • Veränderte Werte, verbunden mit Selbstverwirklichung, Freizeitwerten, Zeitsouveränität, Reizüberflutung, Furcht vor (ökologischen) Katastrophen… erschweren Lehr- und Lernprozesse.
  • Zunehmende Globalisierung der Wirtschaft, gefolgt von wachsender Macht internationaler Konzerne, die sich nationaler Kontrolle und Regelung entziehen.
  • Mehr technologisch verwertbare Forschungsergebnisse: wer beim Innovationstempo nicht mithält, wird abgehängt.
  • Steigende Nutzung der neuen IT-Technologien: die digitale Revolution verändert die Anforderungen an den Arbeitsmarkt rasant.
  • Überzogene Nutzung der (nicht reproduzierbarer) Ressourcen und Umwelteinflüsse des Wirtschaftens bringen neue Gefahren für Umwelt und Gesundheit mit sich.
  • Verschärfter Wettbewerb zwischen den Betrieben zieht anhand (systemischer und anhaltender Rationalisierung und Neuordnung der Betriebsorganisation) Arbeitsplatzverluste nach sich.
  • Der Dienstleistungsbereich wächst indes der Bereich der industriellen Produktion arbeitsplatzmäßig an Tempo verliert.
  • ….

Diesen Trends kann niemand ausweichen, und schon gar nicht eine exportabhängige Ökonomie wie die belgische, die sehr auf Zulieferertätigkeiten (und somit vermehrt abhängig von ihren industriellen Abnehmern ist) ausgerichtet ist. Diese Trends setzen strukturellen Veränderungen in Gang, die je nach Fall durch konjunkturelle Krisen (wie die von 2008) beschleunigt werden. So kommt es, dass die wirtschaftlichen Veränderungen sich schneller vollziehen als der Arbeitsmarkt in der Lage ist, sich diesen Veränderungen anzupassen. Die Folge: vakante Arbeitsplatzangebote, die nicht besetzt werden können, und (lang anhaltende) Arbeitslosigkeit. Ein Phänomen, das inzwischen auch im Bereich der Ausbildungsplätze beobachtet werden kann. Auf der einen Seite fehlen die Facharbeiter, auf der anderen Seite entsprechen die Berufsprofile der Arbeitsuchenden nicht den Erwartungen der Betriebe, wobei Umschulungen von Arbeitssuchenden als Antwort auf den Fachkräftemangel nur bedingt zu Ergebnissen führt. Siehe dazu das Beispiel, in der DG Personen als Schweißer anlernen zu wollen.

Bildungsgerechtigkeit im Rahmen der beruflichen Bildung

Wie können die Ziele einer beruflichen Bildung erreicht werden, ohne dass die Menschen in einer beruflichen Sackgasse landen und ohne dass sie ihre Anpassungsfähigkeit an eine sich wandelnde Arbeitswelt verlieren? Eine Frage, die sich nicht nur an die Bildung Jugendlicher reichtet, sondern auch an die Arbeitnehmer ab einem gewissen Alter (in der Regel ab 50 Jahren), die aufgrund ihres Alters und des damit verbundenen Lohnes zu denen gehören, die am ehesten von Rationalisierungsmaßnahmen betroffen sein werden und danach ohne Chance auf einen beruflichen Wiedereinstieg ein Dasein als Arbeitsuchender fristen? Eine Frage, die umso akuter wird, als die Regierung beschlossen hat, das Alter zum Einstieg in den Altersruhestand bis auf 67 Jahre anzuheben – wobei hinzugefügt werden muss, dass die nachrückenden Generationen weniger zahlreich sind und dass daher der Fachkräftemangel sich in den kommenden Jahren zuspitzen wird.

Die Ziele der beruflichen Aus- und Weiterbildung sollten darin liegen, dass:

  • Die Anpassungsfähigkeit des Einzelnen an den sich verändernden Arbeitsmarkt im Rahmen einer offenen, globalisierten Ökonomie (sie beinhaltet neben fachlichen auch kulturelle Komponenten) erhalten bleibt;
  • Der Einzelne in der Lage ist, seine eigene private, gesellschaftliche und berufliche Biographie nach Möglichkeit selbständig zu gestalten;
  • Die Aneignung verwertbarer Qualifikationen auch nach dem schulischen Abschluss durch geeignete Angebote weiter gefördert wird – und nicht nur, wenn die Arbeitslosigkeit eingetreten ist;
  • Den Betrieben die erforderlichen Humanressourcen verfügbar sind, damit sie innovativ sein und sich weiter entwickeln können und in der Lage sind, weitere und attraktive Arbeitsplätze auch effektiv anzubieten;

Kurzum, wie müssen uns verabschieden von der Idee, dass ein einmal erworbener Abschluss ausreicht, um bis zum Eintritt in den Ruhestand „ausgesorgt“ zu haben. Das wissen alle, aber inwieweit folgt diesem Wissen das entsprechende Handeln? Inwieweit werden die öffentlichen Hilfen zur Aus- und Weiterbildung in Anspruch genommen, bevor die individuelle Katastrophe einer Kündigung sich ereignet? Inwieweit investieren die Arbeitgeber in Innovation, sprich in Weiterentwicklung des  fachlichen Wissens und Könnens der Mitarbeiter? Muss nicht aus dem Recht auf Weiterbildung eine Pflicht zur Weiterbildung gemacht werden?

Am Beispiel des Bausektors: alle wissen, dass die Energieeffizienz ein Begriff ist, der die Art, wie gebaut wird, grundlegend verändert. Von der klassischen Wohnung wird in einigen Jahren kaum noch jemand reden, stattdessen wohl aber vom Niedrigenergiehaus oder vom Passivhaus. Das ZAWM bot und bietet Weiterbildungen in diesem Bereich an. Eigentlich müssten alle, vom Ingenieur-Architekten bis hin zum Facharbeiter, an solchen Angeboten (der konzeptuellen und der praktischen Weiterbildung) teilnehmen – insbesondere aus den Betrieben, die nicht nur in der DG sondern auch in Luxemburg oder in Deutschland aktiv sind. Sollte die Teilnahme an solchen Ausbildungsangeboten nicht eine Pflicht sein?

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